Der 9. November – zur Kontinuität des deutschen Imperialismus

Der 9. November ist ein wichtiges historisches Datum, das wie kaum ein anderes die Brüche und die Kontinuität des deutschen Imperialismus widerspiegelt.

Revolution gegen Kaiser, Krieg und Kapital
Am 9. November 1918 beendeten die Arbeiter- und Soldatenräte den Feldzug Deutschlands und stürzten die Monarchie. Die Novemberrevolution erschütterte die Macht der nationalen Bourgeoisie und Großgrundbesitzer tief. Der vier Jahre zuvor so starke deutsche Imperialismus stand am Rande des Abgrunds. Nur durch die Einbindung der Sozialdemokratie, die schon 1914 für die Kriegskredite stimmte, konnte die Revolution abgewürgt, die blutige Repression gegen die aufständischen Arbeitermassen organisiert und die bürgerliche Herrschaft gesichert werden.

Seine expansionistischen Ziele konnte der deutsche Imperialismus im ersten Weltkrieg nicht erreichen. Die Arbeiterbewegung, mit der er konfrontiert war, war zu stark; der Anlauf zur Revanche, zu einem erneuten großen Krieg, wurde schwierig, erst recht als die Weltwirtschaftskrise 1929 besonders die Position der deutschen Konzerne schwächte. Die Errichtung einer Diktatur, die jeden Widerstand ausschaltete, wurde aus ihrer Sicht notwendig und die bereits zur Niederschlagung der Novemberrevolution eingesetzten faschistischen Kräfte, vor allem Freikorps und Teile der Reichswehr, waren dafür bestens geeignet.

Der 9. November war den Faschisten besonders verhasst, sie wollten das Datum der Revolution aus der Geschichte löschen. Am 9. November 1923 versuchten Hitler und andere faschistische Kräfte in Anlenung an Mussolinis „Marsch auf Rom“ mit einem „Marsch auf Berlin“ die Weimarer Republik zu stürzen. Doch die Arbeiterbewegung, die zwei Jahre zuvor bereits einen Putsch mit einem Generalstreik verhindert hatte, war noch zu stark und wachsam. Die anderen bürgerlichen Kräfte sagten den Putschversuch ab, Hitler landete kurzzeitig im Gefängnis.

Zehn Jahre später, nach der Weltwirtschaftskrise von 1929, sah das deutsche Kapital in Hitler und der NSDAP die Lösung ihrer Krise, die Sicherung ihrer Herrschaft und die Vorbereitung eines Kriegs. Reichspräsident Hindenburg brachte im Auftrag der wichtigsten Bankiers und Unternehmer die NSDAP an die Macht.

Einstimmung auf den Krieg
Bereits vor der Machtübergabe an die NSDAP diskutierten diese mit der NSDAP-Parteispitze über die zu erfüllenden Kriegsziele. Sofort begann die neue Regierung mit der ökonomischen und politischen Kriegsvorbereitung. 1938, in der direkten Vorphase des Kriegsbeginns organisierte der Staat ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Als Datum wurde nicht zufällig der 9. November ausgewählt, es war der zweite Versuch, den 9. November historisch neu zu besetzen.

Das Pogrom gegen Juden stellte den Auftakt zur Deportation und Vernichtung dar. Es war Teil der beginnenden Kriegsvorbereitung, wenige Wochen zuvor besetzte die Wehrmacht Teile der Tschechoslowakei. Die Steigerung der antisemitischen Aktionen und des Terrors diente der Rechtfertigung des Kriegs als „Krieg gegen das Weltjudentum“. Der Pogrom war der Beginn der „Einstimmung“ der Bevölkerung, der psychologischen Vorbereitung des Weltkriegs, auf antijüdische Verfolgung im Inland und Massenmord in den besetzten Gebieten. Die faschistische Diktatur wollte mit dem Pogrom Desolidarisierung, Mitleidlosigkeit und Stummheit, Angst und Schrecken unter der Bevölkerung verbreiten. Der Jude wurde sowohl zum „äußeren“, als auch zum „inneren Feind“ gemacht, um die expansionistischen Ziele des deutschen Imperialismus zu legitimieren.

Ein Jahr später war die Wehrmacht bereits in Polen einmarschiert, der Vernichtungskrieg des deutschen Imperialismus begann. Er sollte die Ziele des ersten endlich erreichen: „Lebensraum“ im Osten, Rohstoffe, Arbeitskräfte und schließlich die Ausschaltung aller Konkurrenten.
In der Erinnerungspolitik nach 1945 wird der 9. November oftmals entkontextualisiert und selten in den Zusammenhang mit dem Krieg gestellt. Die Verbindung zur Novemberrevolution, die das direkte Gegenprogramm zum Faschismus darstellte, wird ganz verschwiegen oder verzerrt am Rande erwähnt.

Nach der zweiten Niederlage
Zwar änderten sich die Bedingungen für den deutschen Imperialismus nach der Niederlage 1945 stark, seine Ziele jedoch kaum und auch auch die personelle und strukturelle Zusammensetzung betreffend, blieb in der BRD-Nachkriegszeit vieles bestehen. Wehrmachtgeneräle gründeten die Bundeswehr, faschistische Juristen wurden Kanzleramtsminister, Kriegsverbrecher gründeten die Geheimdienste und an allen Hebeln und Schaltern der Bundesrepublik walteten die gleichen wie im Faschismus auch. Ihr Ziel: So schnell wie möglich gegen die Sowjetunion zu Felde ziehen zu können.

Im Gegensatz dazu wurden in der sowjetischen Besatzungszone Kriegsverbrecher und Großunternehmen enteignet. Nach Gründung der BRD und der Bundeswehr standen über 40 Jahre lang die DDR und die anderen sozialistischen Staaten den Interessen der deutschen Bourgeoisie im Weg, wie kein anderes Hindernis zuvor. Der „Lebensraum“ im Osten, die ersehnten Gebiete zur ökonomischen und militärischen Expansion schienen für immer verschlossen zu bleiben.

Das Hindernis fällt weg
Das änderte sich, als aus verschiedenen Gründen die Führung der Sowjetunion zu weitgehenden Konzessionen bereit war und nach und nach von allen entscheidenden Positionen zurückging und schließlich auch den Schutz der DDR zur Disposition stellte. Als durch eine durch die BRD angefachte „Flüchtlingswelle“ aus der DDR, Ungarn die Grenze öffnete, wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der schließlich am 9. November 1989 zur übereilten Grenzöffnung der DDR führte. Das Datum konnte wieder „positiv“ besetzt werden, die Schlagworte „friedliche Revolution“ und „Freiheit“ werden mit dem 9. November in Verbindung gebracht und schieben alles andere in den Hintergrund. Fast zwei Jahre später war die DDR verschwunden, ebenso wie der Sozialismus in den anderen osteuropäischen Ländern. Das Hindernis war beseitigt.

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